Ein Kommentar in einer von mir geschätzten Fachzeitschrift geht dieser Tage auf die aktuellen Warenengpässe und Preissteigerungen ein und auf die Reaktionen im politischen Raum. Und er wendet sich unter der Überschrift „Mit falschem Werkzeug unterwegs“ gegen Geldverknappung, Einhalten der sog. Schuldenbremse und steigende Zinsen. Da lohnt es sich, genauer hinzusehen. Bevor man sich Gedanken über die richtige Therapie, das richtige Werkzeug macht, das einzelnen Branchen heilsam zugeführt werden könnte, sollte man sich wie jeder gute Arzt mit der Anamnese und Diagnose befassen.
Für Juni 2022 weist das Statistische Bundesamt eine Inflationsrate von 7,6 % gegenüber dem Vorjahr aus. Der Teilindex für Energie liegt bei 38 %. Dass es hierbei nicht bleiben wird, ahnt jeder, der zur Zeit Post von seinem Energieversorger oder seinem Vermieter bekommt. Mein neuer Vertrag mit den Stadtwerken sieht ab Juli 2022 eine Preissteigerung von 60 % vor. Der frisch unterschriebene Vertrag gibt keine Sicherheit. Mit dem Aufrufen von Stufe 2 des Gas-Notfallplans hat die Bundesregierung den Versorgern vor kurzem erlaubt, auch langfristige Lieferverträge einseitig zu kündigen und die Preise anzuheben. Momentane Lieferengpässe und Preissteigerungen bei bestimmten Baustoffen sind da ein kleineres Problem angesichts der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Energieversorgung.
Quelle: www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex
Eine Ausweitung der Staatsquote durch Investitions-, Förder- und Sozialprogramme steht im Raum und hier scheiden sich die Geister. Es geht dabei weniger um das falsche oder richtige Werkzeug zum Beheben kurz- und mittelfristiger Engpässe auf Waren- oder Finanzmärkten, sondern darum, ob man dem Staat generell das Ausufern seiner Werkstatt erlauben soll. Die Antwort auf diese Frage findet sich seit einigen Jahren in Artikel 115 des Grundgesetzes, nennt sich umgangssprachlich „Schuldenbremse“ und soll nun aus konkretem Anlass abgeräumt werden. Sie ist im übrigen Ausdruck des verfassungsmäßig verankerten Zutrauens in unser bestehendes System der sozialen Marktwirtschaft.
Betrachtet man die Lage auf den Währungsmärkten, so kann wohl kaum von einer Geldverknappung die Rede sein. Schon gar nicht, was den Euro betrifft. Und da dürfte wohl eher eine der Ursachen für die anrollende Inflation zu suchen sein. Das ist ja auch seit Jahren der Grund, weshalb die Menschen in die Sachwerte fliehen, mit all seinen Auswirkungen auf den Immobilien- und Wohnungssektor. Verstärkt, aber nicht verursacht wurde dieser Trend durch den Krieg in der Ukraine. Und wenn nun die Europäische Zentralbank die Leitzinsen anhebt, so erkennt man vor allem, dass ihr wichtigstes währungspolitisches Werkzeug weder falsch noch richtig eingesetzt wird, sondern ganz einfach stumpf ist. Zumal die Zinsanhebung aus nachvollziehbaren Gründen abgepuffert werden muss durch ein Programm zur Schonung der hochverschuldeten Staaten im gemeinsamen Währungsraum. Da wirkt der Slogan der EZB "Wir sorgen für stabile Preise und sicheres Geld" schon etwas aus der Zeit gefallen - milde gesagt.
Was bedeutet das alles nun für meine eigentliche Arbeit, kleine und mittlere Unternehmen bei Ihrer Anpassung an die Entwicklungen der Produkt- und Faktormärkte zu unterstützen? Mein Instrument der Plankostenrechnung dient der Vorausschau auf die Kostenentwicklung und der Anpassung der Kalkulationsgrundlagen für den individuellen Auftritt auf den Märkten. Inflationäre Entwicklungen tangieren die unternehmerischen Kalküle in doppelter Hinsicht.
- Die gestiegenen Kosten müssten im Grunde an die Kunden weitergereicht werden oder aber sie gehen zu Lasten der Gewinne.
- Das Anheben der Angebotspreise führt zu einem schwer quantifizierbaren Rückgang der Nachfrage. Die sog. Preiselastizität der Nachfrage ist einfach unbekannt und nicht als gesicherter Faktor in die Prognose einzubeziehen.
Schon in meinen Programmupdates zur Ermittlung der Kalkulationsgrundlagen vom August 2021 habe ich als extra Funktion die Eingabe der erwarteten Inflationsrate in die Kostenfortschreibung eingebaut.
Der Effekt im Hinblick auf die so berechneten Kalkulationsansätze und Verrechnungslöhne ist rein rechnerisch nicht gravierend, geht man davon aus, dass die höheren Einkaufspreise für Baustoffe, Pflanzen und Dienstleistungen Dritter an die Kunden weitergereicht werden können. Lediglich der Anstieg der Allgemeinen Geschäftskosten und der Geräte- und Fuhrparkkosten erhöht die Kalkulationszuschläge. Was aber geschieht, wenn in Folge der Inflation ein Ausgleich über die Anpassung der Löhne erfolgt? Tarifverhandlungen werden mit Sicherheit mit einem gewissen Zeitverzug zu einer Preis-Lohn-Preis-Spirale führen.
Zu Testzwecken werde ich demnächst wohl in meiner Software bei den individuellen Löhnen einen Inflationsausgleich einprogrammieren, indem ich einen Link zu der vorangegangenen Einschätzung der Inflationsrate lege. Ich bin gespannt wohin sich die Verrechnungslöhne entwickeln. Ob der Kunde / der Markt diese akzeptieren würde, ist mehr als fraglich. Trotzdem sollte man sich mit dem Durchrechnen verschiedener Szenarien auf die künftige Marktsituation einstellen.
Nachtrag vom 25.07.2022
Habe wie oben angekündigt die Auswirkungen von Lohn-Preisspiralen auf die Kalkulation simuliert. Die Plankostenrechnung für meinen Musterbetrieb GaLa-2000 mit seinen 20 Beschäftigten ergab die nachstehenden Stundenverrechnungssätze. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt.
Offen bleibt dennoch die Frage, ob die erhöhten Verrechnungslöhne am Markt realisiert werden können. Und wenn die Nachfrage wegen schwindender Kaufkraft zurückgeht, dann wird der bekannte Nachteil einer solchen Vollkostenrechnung deutlich: Die fixen Kosten müssten auf weniger Aufträge verteilt werden und man würde auf den Nachfragerückgang mit einer Preisanhebung reagieren. Man kalkuliert sich damit aus dem Markt. Das richtige Kalkül wäre in dieser Situation eine am Deckungsbeitrag orientierte Teilkostenrechnung. Auch dafür liefern die OTB-Programme die maßgeblichen Ziel- und Kontrollgrößen.
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