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Künstliche Intelligenz - hilft sie mir oder ersetzt sie mich?

Wer zeitlebens um Aufbau und Erhalt seiner natürlichen Intelligenz bemüht ist, bekommt plötzlich unerwartete Konkurrenz. Wozu das alles, wenn ein Verbund von Maschinen mit hohem Energieaufwand in Sekundenschnelle bessere Ergebnisse erzielt und die ersten Berufszweige ihre Daseinsberechtigung verlieren? Grund genug, das neue Phänomen ChatGPT auf kollegialer Ebene auszutesten.

 

Gerade arbeite ich für meine kleine Gärtnerwelt an der Softwareunterstützung eines Seminars an der Bildungsstätte Grünberg. Es geht wieder einmal um solche fossilen Unternehmen, die betriebswirtschaftlich kaum zu fassen sind und die es immer noch gibt:

  • Kleine Familienunternehmen
  • mit hoher Kapitalbindung und der
  • traditionellen Verknüpfung völlig unterschiedlicher Leistungsbereiche:
    - Produktion von Pflanzen im Freiland oder im Gewächshaus
    - Einzelhandel mit selbstproduzierter und zugekaufter Ware
    - Dienstleistungen rund um die Pflanzen

Solche Firmen werden im Volksmund einfach als Gärtnereien bezeichnet, im Fachjargon als Endverkaufsbetriebe, Gartenbaumschulen, Friedhofsgärtnereien, Staudengärtnereien oder allgemein als Mehrspartenbetriebe.

 

Wenn es um die Kosten der Pflanzenproduktion geht, stehen seit jeher bewährte Kalkulationsverfahren, spartenspezifische Datensammlungen und vielfältige Beratungsangebote zur Verfügung. Auch für die am stärksten entwickelte gärtnerische Sparte, die sich Garten- und Landschaftsbau nennt und die sich zwischen dem Gärtner und dem Bauunternehmer angesiedelt hat, steht das komplette Instrumentarium an Literatur, Methodik und Software bereit.

 

Da greife ich zu Testzwecken aus dem breiten Spektrum einen Bereich heraus, der mir betriebswirtschaftlich ziemlich vernachlässigt erscheint und den wir gerade vor dem bevorstehenden Muttertag gerne in Anspruch nehmen: den Blumenladen mit seiner Floristik.

 

Gerne starte ich meine Seminare mit folgender Aufgabe: Kalkulieren Sie den Preis für diesen Kranz.

Das scheint zunächst banal. Was aber, wenn das Blumengeschäft oder der Friedhofsgärtner solche floristischen Arbeit nur gelegentlich und neben der eigentlichen Arbeit anfertigt? Man hat ja nicht nur Material- und Lohnkosten.

 

Eine schöne Aufgabe für die allseits verfügbare künstliche Intelligenz. Gesagt – getan. Und im Bruchteil einer Minute liefert mir ChatGPT eine ernstzunehmende Antwort.

Ich war schon positiv überrascht, wenngleich zwischen der Aufzählung von Kostenelementen und Marktüberlegungen auf der einen Seite und praktischen Hilfen zur Umsetzung auf der anderen eine große Kluft besteht. Spannend war aber auch, zu erleben, wie lern- und anpassungsfähig das System ist. Noch vier Tage zuvor hatte ich die identische Frage eingegeben und sehr viel allgemeinere Hinweise erhalten. Am 8. Mai wurden mir noch folgende Methoden empfohlen, die mir "bei der Vorbereitung des Seminars helfen könnten":

  1. Kostenkalkulation
  2. Marktapplikationsmethode
  3. ABC-Analyse
  4. Break-even-Analyse

Diese Methoden könnten mir helfen, "Ihre Kalkulationstechniken in der Floristik zu verbessern und Ihre Gewinnmarge zu steigern."

 

Also zunächst sehe ich meinen Job in der Software-Entwicklung und Unternehmerschulung kurzfristig nicht gefährdet. Mein Kalkulationskonzept für solche Dienstleistungen ist nicht erschüttert und ich feile erstmal weiter an meiner Methodik und meiner Excel-Software. Mehr darüber verrate ich hier aber nicht, sonst trägt ChatGPT das morgen in alle Welt.

 

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